Griechisches Referendum – Erklärung und Kommentar

Ob Alexis Tsipras in diesen Tagen wohl ruhig schlafen kann? Ich denke er weiß welche Trageweite seine Entscheidung zum Referendum haben kann…

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Aber immer der Reihe nach:

Die Positionen der Verhandlungspartner, der griechischen Regierung auf der einen Seite, und die, der Geldgeber (EU, EZB, IWF), auf der anderen Seite, waren festgefahren. Die Geldgeber bestehen auf eine konsequentere Austeritätspolitik (Sparpolitik) und weichen von diesem Kurs nicht ab. Die griechische Regierung hat sich für ein besonderes Kunststück wählen lassen: Im Euroraum bleiben ohne harten Sparkurs. Dieses Ziel zu erreichen gestaltet sich mehr als schwierig.

Die griechische Regierung unter Tsipras darf also in den Verhandlungen mit den Geldgebern nicht zu weit nachgeben, ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren. Der Gegenseite geht es da nicht viel anders und so konnten bei einigen Punkten keine Kompromisse gefunden werden. Kurz vor dem Ende des Verhandlungsspielraums nun also ein äußerst gewagter Schachzug der Griechen: Referendum. Warum so spät? fragen viele. Weil Tsipras genau weiß was damit alles auf dem Spiel steht! Und nicht um eine Woche Zeit zu schinden, wie einige zu wissen glauben.

Zuerst muss gesagt werden worum es bei dem Referendum geht: Nein, das griechische Volk stimmt nicht darüber ab, ob Griechenland im Euroraum bleiben möchte und auch nicht ob die Verhandlungen mit den Geldgebern abgebrochen werden sollen! Es geht lediglich darum, ob das aktuelle Angebot der Geldgeber in dieser Form angenommen oder abgelehnt werden soll.

Und deswegen so eine Aufregung? Oh ja, die Tragweite dieses Referendums geht nämlich weit über die eigentliche Fragestellung hinaus! Lehnt das griechische Volk das Angebot der Geldgeber ab, dann ist Griechenland nicht aus dem Euro ausgeschieden sondern die Verhandlungen gehen in die nächste Runde, mit einer deutlich gestärkten Position der griechischen Regierung: Tsipras  zu erpressen wird dadurch viel schwieriger. Aufgrund einer Volksentscheidung einem Land die Zahlungen zu verwehren und dadurch aus der EU zu befördern, wird in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vertretbar sein, somit fällt das als Druckmittel weg! Der griechischen Regierung könnte ihr Vorhaben, vom Euroerhalt ohne überharten Sparzwang, tatsächlich glücken!

Stimmen die Griechen hingegen für das Angebot der Geldgeber, dann werden jetzt schon von allen Seiten Neuwahlen gefordert, die linke Regierung verliert jedoch mindestens stark an Rückhalt. Das ist aber noch nicht alles: Gelingt es den Geldgebern die ungeliebte griechische Regierung abzusetzen, dann kann das eine Signalwirkung für andere EU-Krisenstaaten haben, nämlich, dass eine linke Regierung nicht erfolgsverprechend ist, wenn es um die Interessen des eigenen Staates geht.

Diese Signalwirkung funktioniert natürlich auch in die andere Richtung, hin zu mehr linken Volksvertretern in Europa, das gilt es, aus Sicht der EU, EZB, IWF zu verhindern!

Der Kampf um die griechischen Köpfe hat längst begonnen und wird schmutzig geführt. Wie bereits angedeutet, wird das Referendum zu einer Entscheidung über den Verbleib in der Eurozone umgemünzt. Die Griechen haben Angst vor dem Grexit (griechischer EU-Austritt) und dem vermutlich daraus resultierendem Staatsbankrott, so lässt sich leicht Werbung für ein „JA“ machen. Die Propagandamaschine läuft und es bleibt zu hoffen, dass die Griechen vor lauter Angstmache nicht aus den Augen verlieren, worum es wirklich geht: Um eine Richtungsentscheidung für Griechenland und ,ein Stück weit, für Europa!

Alexis Tsipras steht mit dem Rücken zur Wand, sein Einsatz ist gnadenlos hoch, die Entscheidung ist ihm sicherlich nicht leicht gefallen. Jetzt erzwingt er eine Richtung für die zukünftige Verhandlungspostion Griechenlands, weil er keine andere Handhabe mehr sieht.  Er setzt für Griechenland, und auch ein bisschen für uns, alles auf Rot! Ich hoffe inständig, dass sein Mut belohnt wird.

2 Gedanken zu „Griechisches Referendum – Erklärung und Kommentar

  • Juli 27, 2015 um 7:14 pm Uhr
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    Nun sind wir also soweit:
    Das Referendum ist durch, das Volk steht hinter der linken Regierung Tsipras. Diese Regierung legt der Geldgeberseite ein faires Angebot vor.
    Die europäischen Geldgeber antworten mit einem demütigendem Angebot, harte Einsparungen, Sofortmaßnahmen um „Vertrauen wieder herzustellen“. Das alles mit einem unverholenem Zusatz von: Friss oder Stirb, dieses ist unser letztes Angebot, Alternative ist nur der „Grexit“… Und die Bevölkerung der anderen EU-Länder, die Parlamente? … Die sehen zu, kein Aufschrei gegen Missachtung der demokratischen Prinzipien, keine Solidarisierung mit dem griechischen Volk, eher Befeuerung des Konflikts. Tsipras steht mit seinem Volk alleine da und mit dem Rücken zur Wand, wieder einmal, diesmal gibt es keinen Ausweg mehr. Er handelt immerhin konsequent, er macht sich an die direkte Umsetzung der aufgezwungenen Sparpläne, er baut sogar seine Regierung um, um den Prozess zu beschleunigen. Der griechische EU-Austritt ist (noch) keine Alternative für Tsipras und auch nicht für sein Volk. Die griechische Regierung hat, um allzu harten Einschnitten zu entgehen, auf die Demokratie gesetzt und verloren. Ich bin in meinem Artikel davon ausgegangen, dass dieser Schritt funtionieren kann (….die Verhandlungen gehen in die nächste Runde, mit einer deutlich gestärkten Position der griechischen Regierung: Tsipras zu erpressen wird dadurch viel schwieriger….) Ich habe mich geirrt und ich entschuldige mich dafür, in mir überwog die Hoffnung, dass Prinzipien und Mitbestimmung noch einen Wert in diesem politischen System hätten, habe mich wohl mal wieder getäuscht. Sarkasmus beiseite, positiv zu erwähnen ist allerdings, dass ein Volk in Europa den Mut hat gegen die „Institutionen“ zu stimmen und nicht einfach alle Bedingungen akzeptieren will!

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  • August 17, 2015 um 12:17 pm Uhr
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    Ein sehr informativer Artikel mit einer sehr guten Erklärung. Viele haben den Begriff Referendum sicherlich aus den Medien gehört, aber was tatsächlich dahinter steckt, das wissen nur die wenigen. Da ist ein solcher Artikel wie hier doch sehr hilfreich.

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